Die kleine Welt der Genderisten – Netzwerkforschung auf ScienceFiles

von Dr. habil. Heike Diefenbach & Michael Klein

Six Degrees of Separation

Jeder Mensch hat Bekannte, Leute die er besser kennt und solche, die er vielleicht lieber nicht kennen würde. Sozialwissenschaftler nennen die Menge von Bekannten ein soziales Netzwerk. Wie groß ist ein soziales Netzwerk, und wie sehr ist es in sich geschlossen? Diese Fragen haben sich die amerikanischen Sozialpsychologen Jeffrey Travers und Stanley Milgram bereits in den 1960er Jahren  gestellt und beantwortet. Dazu benötigten sie einen Börsenmakler aus Boston und Personen, die diesen nicht kannten und so weit wie möglich von ihm entfernt waren, sozial wie räumlich. Travers und Milgram fanden diese Personen in Nebraska und gaben ihnen eine Aufgabe. Sie sollten einen Brief zum Bostoner Börsenmakler befördern. Allerdings nicht per Post, sondern durch ihre Bekannten: “Geben Sie den Brief an einen ihrer Bekannten, den sie mit dem Vornamen anreden und von dem sie glauben, er könne den Brief selbst oder über einen weiteren Bekannten dem Börsenmakler übergeben.” Die Bedingung lautete auch hier: Derjenige, der letztlich den Brief übergibt, muss den Börsenmakler mit dem Vornamen anreden. Tatsächlich kam eine erkleckliche Anzahl von Briefen in Boston an. Erstaunlicher war jedoch, was Travers und Milgram in der Folge herausfanden: Im Durchschnitt ging ein Brief lediglich durch sechs Hände, ehe er am Ziel ankam. Ein erstaunliches Ergebnis angesichts von 250 Millionen US-Amerikanern.

Die Welt ist ein Dorf

WattsIm Jahr 1998 haben die Physiker Duncan Watts und Steven Strogatz eine Renaissance von Travers und Milgrams alter Forschung bewirkt und zu hektischer Betriebsamkeit unter Wissenschaftlern Anlaß gegeben. Die Betriebsamkeit, die bis heute anhält, hat den “small-world-effect” zum Gegenstand. Ist dieser am Werk, dann wird aus einer unüberschaubaren Menge von Menschen, die nichts mit einander zu tun zu haben scheinen, eine kleine Welt, in der jeder mit jedem verbunden werden kann. So zeigten Watts und Strogatz, dass es durchschnittlich nur dreier Bekannter bedarf, um jeden der 200.000 Schauspieler, die in der Movie-Data-Base abgelegt sind, mit jedem anderen zu verbinden. Doch nicht nur beim Film gibt es kleine Welten, auch in der Wirtschaft: Die Ökonomen Bruce Kogut und Gordon Walker (1999) haben für Deutschland gezeigt, wie klein die Welt der 500 größten Unternehmen ist: Fünf Bekannte sind im Schnitt notwendig, um jedes beliebige deutsche Großunternehmen mit jedem anderen zu verbinden.

Schnittstellen und Inhalte

Die beschriebenen Forschungen sind ähnlich und doch trennt sie ein entscheidender Punkt. Travers und Milgram waren an der generellen Durchlässigkeit der Sozialstruktur, der generellen Verknüpfung der amerikanischen Gesellschaft interessiert und wählten nicht umsonst die größtmögliche räumliche Entfernung und variierten nicht umsonst die soziale Position ihrer  Ausgangspersonen im Vergleich zum Börsenmakler. Watts und Strogatz oder Kogut und Walker beschäftigen sich mit insofern “geschlossenen Gesellschaften” als die Gruppen, die sie untersuchen, ein gemeinsames Merkmal aufweisen, das sie bereits innerhalb der Struktur ihrer Gesellschaft verortet. Sie geben somit das soziologische an der Forschung von Milgram auf und interessieren sich nur noch für den Verknüpfungsgrad.

New Beginning

SciencefilesWir auf ScienceFiles wollen die Forschung von Travers und Milgram wieder beleben, und zwar in ihrer ursprünglichen Version. Wir gehen davon aus, dass die Methode von Travers und Milgram eine geeignete Methode ist, um Netzwerke unterschiedlicher sowohl räumlicher als auch sozialer Distanz/Nähe aufzuspüren, Netzwerke ersten, zweiten und x-ten Grades. Wenn z.B. ein Angestellter im Bauamt der Stadt X, dem Schreiner Y, der ihm persönlich bekannt ist, einen Hinweis auf eine Ausschreibung gibt, dann ist dies ein Netzwerk ersten Grades. Wenn der Schreiner einem bekannten Maler den Tipp des Angestellten im Bauamt weitergibt, dann ist dies ein Netzwerk zweiten Grades usw. Wenn ein Leiter eines Fachbereichs einer politischen Stiftung einem Bekannten einen Tipp auf eine Veröffentlichung in seinem Fachbereich gibt, in der Erwartung, der Bekannte werde die Veröffentlichung weitertragen, sich, wie Dr. habil. Heike Diefenbach dies nennt, als Multiplikator betätigen, dann ist dies ein Netzwerk ersten Grades. Unsere Modellierung  hat zudem den Vorteil, dass man unabhängig von der Gradierung des Netzwerks, “Gedankenwelten” erforschen kann, also nicht nur soziale und räumliche, sondern auch die Nähe im Hinblick auf das, was Philip E. Converse (1964) Überzeugungssysteme (belief systems) genannt hat.

Während die Bestimmung des Grades der Nähe zum Ausgangspunkt in einem Netzwerk ab einem bestimmten Punkt in der Zeit, problematisch wird, weil die Komplexität der Geflechte so groß geworden sein kann, dass man keine klare Trennung mehr zwischen den einzelnen Entfernungsgraden zum Ausgangspunkt herstellen kann, so kann man doch sagen, dass alle, die sich dem Netzwerk anschließen oder anschließen lassen, eine gewisse Gedankenwelt teilen.

Die Gedankenwelt der Genderisten und der Gender-Kritiker

Die letzte Veröffentlichung aus der ideologischen Schmiede der Heinrich-Böll-Stiftung (HB-Stiftung), dem Gunda-Werner-Institut, ist perfekt geeignet, um unsere neue Methode deutlich zu machen.

Die Veröffentlichung des Werkes:

Frey, Regina, Gärtner, Marc, Köhnen, Manfred & Scheele, Sebastian (2013). Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie. Argumente im Streit um Geschlechterverhältnisse. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, Gunda-Werner Institut.

hat eine Reihe von Reaktionen nach sich gezogen, und es hat auf Seiten der Genderismus-Kritiker eine recht schnelle Verbreitung gefunden.

Beiträge, die auf eine Vernetzung ersten Grades schließen lassen und einer gemeinsamen Gedankenwelt der Gender-Kritik entspringen, finden sich auf

  1. Alles Evolution
  2. Genderama
  3. ScienceFiles
  4. Danisch
  5. Zettels Raum
  6. Feuerbringer-Magazin
  7. Spiegel Online
  8. Telepolis

Die Blog-Betreiber und Redakteure finden sich in einer gemeinsamem Gedankenwelt zusammen und sind miteinander über bestimmte moralische Vorstellungen, wissenschaftliche Standards und methodische Kenntnisse verbunden. Wer sich die Mühe macht, die Links oben zu klicken, wird feststellen, dass alle Kritiker sich mit dem Werk aus der HB-Stifung argumentativ auseinandersetzen und in zumeist elaborierter Weise auf die vielen Fehler, Auslassungen und Fehlschlüsse im Werk der HB-Stiftung hinweisen. Ein deutlicher Beleg, der wissenschaftlichen Standards verpflichteten Gedankenwelt, die sie teilen.

Der Gedankenwelt der Kritiker der neuesten Veröffentlichung aus dem Hause Heinrich-Bölls, stehen diejenigen gegenüber, die das Werk nicht wegen seiner Mängel kritisieren, sondern im Gegenteil, die die darin vertretene Gedankenwelt teilen. Die Liste der Bekanntschaften ersten Grades, die eine gemeinsame Gedankenwelt teilen, ist jedoch recht kurz. Trotz einer intensiven Recherche ist es uns nicht gelungen, mehr als drei Bekannte ersten Grades zu finden, die mit dem Werk aus der HB-Stiftung in Verbindung gebracht werden wollen:

  1. GZ Uni PaderbornAuf der Seite des Zentrum für Geschlechterstudien der Universität Paderborn findet ich ein Verweis auf das Werk aus der HB-Stiftung als “Tipp der Woche”. Warum der Tipp der Woche, Tipp der Woche ist, wird nicht begründet. In der Gedankenwelt der Genderisten kommen Argumente und Begründungen nicht vor, sie werden durch affektive Bindungen, Emotionen und “Argumentationshilfen” ersetzt.
  2. Legal Gender HBAuf den Seiten der Legal Gender Studies , die der Universität Hamburg zugeordnet sind, weist Dr. jur. Ulrike Lembke, Juniorprofessorin für Öffentliches Recht und Legal Gender Studies an der Universität Hamburg, auf die “lesenswerte Argumentationshilfe” aus der HB-Stiftung hin und behauptet, die “lesenswerte Argumentationshilfe” würde zeigen, wie sehr die Kritik des Genderismus als unwissenschaftlich auf “einem Doppelstandard” basiere. Der Doppelstandard wird  leder nicht näher spezifiziert , ein Doppelstandard halt (Die Wirkung von Doppelstandard soll nach Ansicht von Juniorprofessorin Lembke wohl über die affektive Konnotation “Doppelstandard = schlecht” erfolgen).
  3. neue WegeHBDie letzte Nennung des Werkes aus der HB-Stiftung, die letzten Bekannte ersten Grades der HB-Stiftung findet sich – ausgerechnet – auf den Seiten von neue Wege für Jungs.. Dort heißt es: “Die Publikation geht dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit nach und gibt Argumente für eine Auseinandersetzung an die Hand. Im Schlagwort “Genderismus” zum Beispiel werden unterschiedlichste Sachverhalte aus Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik vermischt. Mit dieser Publikation möchten wir OrganisationsvertreterInnen und AktivistInnen sowie Institutionen, die in diesem Bereich unterwegs sind, dabei unterstützen, in Kampagnen gegen (pro)feministische Veröffentlichungen die entsprechenden Anwürfe zu verorten und sachbezogen zu reagieren.” Das sachliche Reagieren auf Anwürfe wäre sicher glaubwürdiger, wenn Kritik am Genderismus nicht generell als Anwürfe bezeichnet würde. Man kann eben nicht verbergen, wes’ Geistes Kind man ist, und totalitäre Geister oder closed minds können eben nicht anders als Kritik am eigenen Glaubenssystem, eben weil sie affektiv und nicht rational daran hängen, als “Anwurf” abzuwehren. Und wes’ Geistes Kind hinter der Seite “Neue Wege für Jungs” steht, wird auch mehr als deutlich. Fragt sich nur, wer hier wen bezahlt…

Die Liste derjenigen, die öffentlich mit der Gedankenwelt der HB-Stiftung in Verbindung gebracht werden wollen, ist nicht lang, aber die Gemeinsamkeiten sind offensichtlich: Keine Argumente und weil man keine Argumente hat, erwartet man sich Hilfe von einer “Argumentationshilfe”  (oder wie Heike Diefenbach sagt: “Wer etwas argumentieren will, wofür ihm eine Argumentationshilfe zur Verfügung gestellt werden muss, dem ist  nicht mehr zu helfen), und weil man keine Argumente hat, gibt es nur affektive und keinerlei rationale Reaktionen oder den schlichten “Tipp”. Kurz: Genderisten zeigen wieder einmal deutlich, dass sie eine Sekte und nicht anderes als eine Sekte sind, die sich um einen gemeinsamen emotionalen Kern reiht, der vielleicht gefühlt wird, aber eines sicher nicht: rational argumentiert.

©ScienceFiles, 2013

Literatur

Converse, Philip E. (1964). The Nature of Belief Systems in Mass Public. In: Apter, David E. (ed.). Ideology and Discontent. London:  Free Press, pp.206-261.

Kogut, Bruce & Walker, Gordon (1999). The Small World of Firm Ownership in Germany. Social Capital and Structural Holes in Large Firm Acquisition – 1993-1997.

Travers, Jeffrey & Milgram, Stanley (1969). An Experimental Study of the Small World Problem. Sociometry 32(4): 425-443.

Watts, Duncan J. & Strogatz, Steven H. (1998). Collective Dynamics of ‘Small-World’ Networks. Nature 393: 440-442.

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